Geschichte
Überblick
Mitte der zwanziger Jahre brachte der technische Bürgermeister von Karlsruhe, Hermann Schneider, das Schiffsspiel Deck-Tennis von einer Seereise nach New York mit nach Deutschland. Recht bald fasste das Spiel unter dem Namen Ringtennis zunächst in Südwestdeutschland (Baden, Württemberg) Fuß. Von großer Bedeutung für diese Verbreitung war der Umstand, dass Schneider das Karlsruher Strandbad Rappenwört plante, da er viele Ringtennisfelder einbaute und dieses Bad nach seiner Eröffnung (1929) zum Zentrum des Ringtennissportes wurde. Der 1931 gegründete Deutsche Ringtennisbund fürchtete nach der Machtergreilfung der Nationalsozialisten um seine Auflösung. Der „Reichssportführer“ verfügte schließlich die Eingliederung von Ringtennis ins Fachamt I des Reichsbundes für Leibesübungen, in welchem sich Ringtennis über ganz Deutschland verbreitete.
Nach dem Krieg hatte Ringtennis erheblich an Breite eingebüßt. Erst in den siebziger Jahren fanden die ersten internationalen Wettkämpfe statt. Seit 2004 bekam die weltweite Entwicklung mit der Gründung des internationalen Ringtennisverbandes (WTF – World Tenniquoits Federation) Schwung. 2006 wurde Deutschland in Indien erster Ringtennis-Weltmeister und 2010 fanden in Koblenz bereits die zweiten Weltmeisterschaften statt. Aber erst bei den dritten Weltmeisterschaften 2014 konnte der Titel wieder nachhause gebracht werden. In Deutschland wird Ringtennis seit etwa 1998 in Schulen immer populärer, so dass mittlerweile mehr Menschen an Ringtennis-Schulwettkämpfen teilnehmen als an Wettkämpfen auf Vereinsebene.
1. Deck-Tennis als Vorläufer
Deck-Tennis, ein dem Ringtennis ähnliches Spiel, wurde auf Schiffen gespielt. Es gehörte damit zu einer Reihe von Deckspielen („Deck Games“), wie Deck Bowls, Deck Quoits (1), Deck Cricket, Deck Golf, Deck Croquet u.a., die als Zeitvertreib für die Passagiere dienten (vgl. Mc LEOD (1939); ARLOTT 1975, 255). Deck-Tennis war in den zwanziger Jahren eines der beliebtesten Deck-Spiele. Mc LEOD ((1939), 12) meinte sogar, dass es das populärste von allen Deck-Spielen war.
Habe ich damals noch Hinweise gehabt, dass Deck-Tennis, zumindest unter diesem Namen, noch nicht länger als seit dem Ende des Ersten Weltkrieges existiert hat (vgl. CUDDON 1980, 643; FAIT u.a. 1956, 213; ARLOTT 1975, 255), so lässt ein im Internet aufgetauchtes Foto (vgl. NICOL 1999), welches „probably“ aus dem Jahre 1912 stammen soll, Zweifel an dieser These aufkommen. Die Zuverlässigkeit dieser Quelle müsste jedoch zunächst genauer überprüft werden.
Meine damals gefundenen Hinweise, dass das Spiel schon vor dem Erscheinen von Deck-Tennis unter dem Namen „Quoitennis“ an Land existierte, hat Gernot HORN inzwischen untermauert (vgl. HORN 2008). Gernot entdeckte eine Broschüre über Quoitennis aus Amerika, dessen erste Auflage aus dem Jahr 1921 stammt, also deutlich vor den von mir gefundenen Quellen aus den USA ab 1927. Ebenfalls bestätigt werde in dieser Broschüre, dass „Cleve F. Shaffer als Erfinder bzw. Urvater von Ringtennis gelten kann“ (HORN 2008) was auch MASON/MITCHELL (1936, 376), WOOD/GODDARD (1938) sowie N.N. (1933) äußerten.
2. Deck-Tennis wird „an Land“ gebracht
Mitte der zwanziger Jahre fuhr der damalige technische Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Hermann Schneider, zu einem internationalen Städtebaukongress nach New York. Auf der langen Reise mit dem Dampfer ‚Mauretania‘ lernte er das Decktennis kennen. Ob er es schon unter dem Namen „Ringtennis“ kennenlernte, ist unklar, ebenso der genaue Zeitpunkt der Reise. Jedenfalls legte er daraufhin im Sommer 1928 in seinem Garten einen Ringtennisplatz an, auf dem er alle Freunde und Bekannten zum Ringtennisspielen einlud.
Hermann Schneider sorgte auch dafür, dass bald darauf in Karlsruhe eine bis heute einmalige Ringtennis-Anlage entstand: Dabei kam ihm seine Tätigkeit als Planer bei der „Schaffung einer neuzeitlichen Sport- und Körperkulturstätte“ (SUPPER 1929) zugute: Dem Rheinstrandbad Rappenwört. Schneider plante für den Bau der Anlage zunächst 20 Ringtennisfelder mit ein, später wurden es 60! Er schuf damit die Vorraussetzungen für die Entwicklung des Spieles Decktennis zum Sportspiel Ringtennis, denn kurz nach der Eröffnung des Strandbades fand vom 30. August bis zum 1. September 1929 das erste große Ringtennis-Turnier statt. Dieser Termin gilt gemeinhin als die Geburtsstunde des Ringtennis in Deutschland. Das Turnier existiert übrigens bis heute am selben Ort unter der Bezeichnung „Pfingstturnier“, da man es später regelmäßig an Pfingsten durchführte.
Wie aber sah es mit Ringtennis in anderen Ländern aus?
In den USA war „Quoitennis“, oder auch „Ring Tennis“ schon eher als in Deutschland bekannt, wie mehrere Veröffentlichungen ab 1927 beweisen. Selbst in Australien war „Circlos“ (dieselbe Spielidee, manchmal wird von einem Deck-Tennis-Feld und manchmal von einem Volleyballfeld berichtet) schon vor 1930 bekannt.
In Indien (Verbandsgründung 1965/1980), England und der Schweiz vermutlich in den vierziger Jahren eingeführt, kam es in den fünfziger Jahren nach Neuseeland, Australien und Südafrika. Zu vermuten ist, dass Deck-Tennis meist der Vorläufer war. Später kam es dann noch nach Frankreich und Österreich; wann es in anderen Ländern eingeführt wurde, ist noch völlig unbekannt.
3. Die kurze Geschichte des Deutschen Ringtennisbundes (DRB)
3.1. Ringtennis organisiert sich
In Deutschland fing Ringtennis an, sich als Sport zu organisieren. Anfang der dreißiger Jahre wurden eine Reihe von reinen Ringtennisvereinen in Karlsruhe, Stuttgart, Pforzheim, Mannheim, Konstanz, Frankfurt, Offenbach, Leuna und Berlin gegründet. Der erste dieser Vereine war der Karlsruher Ringtennis-Club mit dem Gründungsdatum 10.10.1930. Da die Spielauffassungen vereinheitlicht werden mussten, fanden sich zunächst engagierte Spieler in Regelkommissionen zusammen. Das Organisationsbedürfnis gipfelte schließlich darin, dass am 18.1.1931 der Deutsche Ringtennis-Bund (DRB) gegründet wurde. Bereits am 5. und 6. September 1931 führte dieser in Karlsruhe (Rappenwört) die ersten Deutschen Ringtennismeisterschaften durch. Erwartungsgemäß konnten sich die Karlsruher nahezu sämtliche Titel sichern (alle KRC).
Auch im Ringtennis war zu dieser Zeit die Trennung von „Turnen“ und „Sport“ existent: Die Badische Turnerschaft fing 1931/1932 an, das Ringtennisspiel in ihr Programm aufzunehmen und verstärkt zu fördern. Der Spielbetrieb in den beiden Verbänden lief vollkommen getrennt. Die Badische Turnerschaft führte sogar eigene Badische Meisterschaften durch.
3.2. Die Auflösung
Dass es schließlich zu einer Vereinigung dieser beiden Ringtennisbewegungen kam, liegt in der Gleichschaltungs-Politik des totalitären NS-Staates begründet. Nachdem die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht ergriffen hatten, fürchtete der DRB um seine Auflösung. Man machte sich auf die Suche nach einem „anerkannten Verband“. Obwohl es nahe gelegen hätte, sich an die Deutsche Turnerschaft zu wenden, da diese das Ringtennisspiel im Gau Baden ja schon betrieb, sprach für den DRB einiges dagegen, da man mit der Deutschen Turnerschaft schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Man wäre viel lieber beim Tennis- oder Fußballbund untergekommen.
Der „Reichssportführer“ Hans von Tschammer und Osten verfügte jedoch entgegen den Absichten des DRB, dass Ringtennis unter „Sommerspiele“ ins Fachamt I des „Reichsbundes für Leibesübungen“ (später „Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen“), der zentralen Sportorganisation der Nationalsozialisten, eingegliedert werden sollte . Eben dieses Fachamt I sollte im wesentlichen die Deutsche Turnerschaft (D.T.) ausmachen. Die Konsequenz dieser Verfügung war, dass sich der DRB am 24.2.1935 auflöste und zunächst in die D.T. eingegliedert wurde.
4. Die Entwicklung im Reichsbund für Leibesübungen
Die Entwicklung im Reichsbund für Leibesübungen war zunächst von einer enormen Breitenzunahme gekennzeichnet. Die meisten der Deutschen „Gaue“ nahmen das Ringtennisspiel auf. Lediglich in Bayern und „Nordmark“ trat Ringtennis bis zum Ende der faschistischen Herrschaft nicht in Erscheinung. Im Sinne eines vom NS-Staat gewollten „Volkes in Leibesübungen“ profitierte Ringtennis vom Aufschwung der gesamten Sommerspiele (hauptsächlich noch Faustball, Korbball, Flugball=Volleyball). Allein in Leipzig nahmen zwischen 1937 und 1942 mindestens 12 Vereine das Ringtennisspiel auf.
Leistungsmäßig war Baden nach wie vor tonangebend. Beim Mannschaftsturnier des Deutschen Turn- und Sportfestes Breslau 1938, bei dem fast alle deutschen „Gaue“ Ringtennismannschaften stellten, siegte die 1. Mannschaft Badens unangefochten vor Württemberg und Niedersachsen.
5. Der Zusammenbruch
Im Zweiten Weltkrieg waren dem Aufschwung jedoch Grenzen gesetzt. In der Deutschen Turnzeitung häuften sich die Meldungen, dass wegen des Fehlens von Gummiringen eine weitere Ausbreitung nicht möglich wäre.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die meisten Ringtennisvereine nicht wieder gegründet (zunächst waren sämtliche Sportvereine verboten, da sie von den Siegermächten als Mittel nationalsozialistischer Politik angesehen wurden). Die starke Verbreitung während der Zeit des Dritten Reiches hat langfristig gesehen keinerlei Breitenzunahme bewirkt, was z.B. daran zu erkennen ist, dass Ringtennis heute nur noch in einem einzigen der zahlreichen Vereine existiert, die während des Faschismus‘ das Ringtennisspiel aufnahmen.
6. Es ging wieder aufwärts
In den fünfziger Jahren setzte wiederum eine Ringtennisbewegung ein, die neben der jetzt im Deutschen Turnerbund befindlichen existierte: Die Ringtennisbewegung im FKK-Bereich. Zwar hatte auch diese ihre Wurzeln schon Anfang der dreißiger Jahre, doch nun kam es verstärkt zum Spielbetrieb, zunächst noch ohne leistungssportliche Ambitionen. Das änderte sich erst entscheidend, nachdem am 29.9.1963 der Deutsche Verband für Freikörperkultur (DFK) als Anschlussorganisation in den Deutschen Sportbund aufgenommen wurde. Allmählich wurde diese Ringtennisbewegung in die des DTB integriert, wobei sie allerdings auch bis heute ihre Eigenständigkeit behielt. Ein besonderes Kennzeichen hierfür ist die stärkere Freizeitsportorientierung der meisten FKK-Vereine im Gegensatz zu den DTB-Vereinen. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich allerdings auch bei einigen FKK-Vereinen leistungssportliche Ambitionen heraus, so dass diese schon seit über 20 Jahren mit zur Leistungsspitze in Deutschland zählen.
7. Erweiterung des Sportverkehrs auf die internationale Ebene
Nachdem 1967 Ringtenniskontakte nach Japan und 1970 nach Südafrika entstanden waren, gab es erstmals Bemühungen, einen internationalen Ringtennisverband zu gründen. Dazu ist es jedoch zunächst nicht gekommen, u.a. deshalb, weil der japanische Ringtennisverband in der Versenkung verschwunden ist. Trotzdem kam es am 17.4.1976 in Südafrika zum ersten Länderspiel der Ringtennis-Geschichte, welches die Bundesdeutsche Mannschaft überraschend deutlich mit 2:12 gegen Südafrika verlor. Ein Jahr später konnte sich die Deutsche Mannschaft jedoch revanchieren, der Heimvorteil spielte eine entscheidende Rolle. Zu jener Zeit war es schon umstritten, sportliche Kontakte mit Südafrika zu pflegen, weshalb der Bundesfachausschuss Ringtennis 1978 beschloss, weitere Einladungen abzulehnen.
Als der Sportboykott Südafrikas wieder aufgehoben wurde, war Ringtennis am 28.5.1992 die erste Sportart, die wieder ein Länderspiel gegen Südafrika durchführte. Dieses bescherte den Deutschen mit 21:7 den höchsten bisher errungenen Sieg. Weitere Länderspiele gegen Südafrika fanden 1992, 1993, 2002 und 2004 statt – keines davon konnte gewonnen werden – und natürlich bei der WM 2006, bei der nach langer Zeit der erste Sieg gelang.
Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre kam es zu weiteren internationalen Begegnungen, und zwar gegen Polen (im Ringo (2) und Ringtennis) und gegen die Tschechoslowakei (im Ringo).
8. Intensivierung des internationalen Sportverkehrs
Einen entscheidenden Schritt nach vorne kam Ringtennis auf internationaler Ebene mithilfe des Internets: es fanden sich sehr viele Internetseiten aus Indien, die über Ringtennis berichteten, ohne dass allerdings zunächst irgendeine Organisation erkennbar war. Reinhard Plog (Recklinghausen) gelang es 2003 dann in mühevoller Kleinarbeit, Kontakte zum indischen Ringtennisverband herzustellen die schließlich darin mündeten, dass Deutschland, Südafrika und Indien am 11. April 2004 in Polukwane (Südafrika) den internationalen Ringtennisverband (WTF) gründeten, Reinhard Plog als Motor wurde dessen Generalsekretär. Seit diesem Tag sind immer wieder neue Nationen dazugestoßen: ein besonderes Datum war dabei der 5. Juli 2006: mit dem Beitritt Neuseelands hatte die WTF bereits Mitglieder aus allen fünf Kontinenten! Im November 2006 fanden die ersten Ringtennis-Weltmeisterschaften im indischen Chennai bereits mit sechs Nationen statt (Deutschland, Südafrika, Indien, Pakistan, Bangladesh und Brasilien), die die deutsche Mannschaft als ersten Weltmeister der Ringtennis-Geschichte sahen. Zur zweiten (Deutschland 2010) und dritten (Südafrika 2014) Weltmeisterschaft traten immer mehr Nationen in den Weltverband ein. Mittlerweile sind 13 Nationen in der WTF organisiert: Neben den WM-Teilnehmern aus Indien sind es Argentinien, Neuseeland, Nepal, Polen, Weißrussland, Kenia und Kamerun (Stand: 2014).
Auf europäischer Ebene lebten die Kontakte zu Polen wieder auf. Seit 2006 werden regelmäßig deutsch-polnische und seit 2010 auch deutsch-weißrussische Wettkämpfe im Ringo und Ringtennis ausgetragen, abwechselnd in Deutschland, Weißrussland und Polen. Diese Kontakte zeigen erfreuliche Auswirkungen, so wurde an der dritten WM in Südafrika (2014) auch ein Ringo-Wettkampf ausgeschrieben.
9. Die weitere Entwicklung in Deutschland
Nach dem Krieg gab es immer wieder Ringtennisspieler, die Ringtennis in Deutschland populärer machen wollten und dabei im kleinen Bereich auch erfolgreich waren. Hier sind z.B. die Aktivitäten der RTG Siegen (später Weidenau) aus den 50er Jahren zu nennen, die Spielfestbewegung der 70er Jahre sowie die DTB-Maßnahme „Aktiver Urlaub“, in der Ringtennisspieler sich engagierten. Eine deutliche Breitenzunahme konnte jedoch durch keine dieser Maßnahmen erreicht werden. Immer wieder kam man zu der Auffassung, dass das anspruchsvolle Ringtennisspiel kein Sport für die breite Masse ist. Erst mit der Entwicklung von schülergerechten Konzepten und der Durchführung von diversen Schulturnieren in ganz Deutschland konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass Ringtennis leicht erlernt werden kann und in dieser Form sogar mehr Menschen ansprechen kann, als viele andere, wesentlich populärere Sportarten. Im März 2009 erreichte diese Entwicklung einen vorläufigen Höhepunkt damit, dass in Betzdorf (Rheinland-Pfalz) ein Turnier mit Fünft- und Sechstklässlern mit über 500 Teilnehmenden als wohl größtes Turnier der deutschen Ringtennisgeschichte stattfand.
Die weitere Entwicklung wird sicherlich davon abhängen, wie gut es gelingt, die positiven Entwicklungen der verschiedenen Bereiche (international, national) so gut aufeinander abzustimmen, dass sie sich gegenseitig verstärken können.
Anmerkungen
(1) „Quoits“ heißt übersetzt Wurfringspiel, „Quoit“ heißt Wurfring
(2) Ringo ist eine dem Ringtennis ähnliche Sportart, die ansonsten dem Volleyball am ähnlichsten ist
Literatur
Siehe Literaturverzeichnis auf: www.ringtennis-lernen.de