Von Reinhard Plog
Eines wird offensichtlich, wenn man sich der Lektüre der "Game Rules" der "Tennikoit Federation of India", dem offiziellen Regelwerk des indischen Ringtennis widmet. Der Inder hat einen ausgeprägten Sinn für das Detail, das Ausgereifte, für das Ausgefeilte. Denn minutiös befasst sich das 40-seitige Regelbuch mit allen erdenkbaren Einzelheiten zur Reglementierung seines Sports. Von den einleitenden Spielcharakteristika, über die Rechte und Pflichten der am Spiel Beteiligten, den Spielablauf, die Spielaktionen und Fehler bis hin zu einem erschöpfenden Abschnitt über das Schiedsrichterwesen kann der interessierte Leser in einem gut verständlichen Englisch in die Geheimnisse des indischen Ringtennissports eingeweiht werden. Dabei merkt man dem Regelwerk an, dass die Verfasser an jeder Stelle bemüht waren, die Sache auf den Punkt zu bringen und zu präzisieren. Hierbei muss eines beachtet werden: Der Umstand des höheren Netzes und des breiteren Einzelfeldes bietet mehr Raum für detailliertere Regeln als wir sie kennen. Die detaillierten Regeln, die zum Teil für die Doppeldisziplinen sehr komplex anmuten, machen wiederum ein sehr ausgeprägtes Schiedrichterwesen notwendig.
Tennikoit wird in Indien als Indoor- und als Outdoor-Sport betrieben. Mixed, Einzel und Doppel werden in den uns bekannten Altersklassen bis 14, bis 18 und über 18 Jahren für beide Geschlechter wettkampfmäßig betrieben. Dabei ist die Feldgröße für Einzel und Doppel gleich groß. Die Spielfeldgröße des Doppels entspricht exakt den Ausmaßen des deutschen Feldes. Die Netzhöhe liegt bei 1,80 m für Erwachsene und 1,67 m für Junioren. Ringtennis wird in Indien wie bei uns als Individualsport und als Mannschaftssport betrieben. Team-Wettbewerbe werden nach Davis-Cup Manier getrennt für Damen und Herren ausgetragen.
Das indische Spielfeld enthält eine sogenannte Caution-Line, die parallel zur Neutrallinie (Dead line) im Abstand von 1,25 m ins Feldinnere ragt. Im Raum zwischen Caution line und Dead line dürfen keine Angriffsaktionen gestartet werden. Zudem ist die indische Spielfeldhälfte, wie wir es vom Decktennis oder vom Tennis kennen, in zwei Hälften geteilt. Dies hat seinen Sinn darin, dass die Aufgaben diagonal in die Spielhälfte des Gegners zu erfolgen haben.
Zu den Rechten und Pflichten der am Spiel Beteiligten sei an dieser Stelle nur soviel gesagt: Auf Disziplin und Fairness der Spieler, Trainer und Team-Kapitäne gegenüber ihren Gegnern, den Schiedsrichtern und Zuschauern wird enorm viel Wert gelegt. Verstöße werden mittels elf separaten Regeln drastisch geahndet.
Gewinner eines indischen Ringtennis-Spiels ist derjenige, der zwei von drei Sätzen gewinnt, wobei ein Satz bis 21 Punkte dauert. Hierbei muss man mit zwei Punkten Unterschied gewinnen. Zusätzlich ist jeder Satz auf 15 Minuten beschränkt. Ist der Satz allerdings nach 15 Minuten noch nicht zu Ende, sprich sind noch keine 21 Punkte erreicht, so wird der Satz keineswegs endgültig abgeschlossen. An dieser Stelle kommt es zu einer Besonderheit, die ich als indische Spezialität bezeichnen möchte. Jeder weitere ausgespielte Punkt wird nach Ablauf der 15 Minuten auf 9 Ringwechsel begrenzt. Ist nach neun Ringwechseln kein Punkt gefallen, so erhält derjenige den Punkt zugesprochen, der nicht den Service hatte. Diese Regel ist meines Erachtens überaus interessant, manifestiert sie doch ein absolutes Angriffsspiel des servierenden Spielers in der Schlussphase eines umkämpften Satzes. Für ein spannendes und actionreiches Spiel ist hier vorgesorgt. Jeder Spieler hat fünf Aufgaben hintereinander zu leisten, wobei jeder Punkten kann, auch der empfangende Spieler.
Nicht erlaubt sind Wobbling, Shaking, Shots from Caution-zone, Throwing, Delay, Pushing, Carrying, Body Touch, Pressing, Dead Koit, Stepping, Squeezing, Baulking und Jumping. Also wie bei uns darf der Ring nicht wackeln und nicht gedrückt, also von oben gespielt werden, und es darf nicht durchs Feld gelaufen werden. Der Ring muss zwischen dem Fangen und Abwerfen eine kontinuierliche Bewegung erfahren, die nicht unterbrochen werden darf. Eine Regel hat mich diesbezüglich allerdings erstaunt. Wenn der der Ring über oder hinter dem Kopf gefangen wird und in einer Art Halbkreis rückwärts vor dem Abwurf geschwungen wird, ist dies als Fehler zu ahnden (Fachbegriff: Carrying). Interessant auch die Regel 15.10: Wenn der Ring ohne Spin oder Druck landet, so ist er als "toter Ring" zu streichen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die indischen Regeln sehr großen Anlass zur Hoffnung geben, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich ist, internationale Wettkämpfe nach Regeln bestreiten zu können, die beiden Ländern gerecht werden und wo sich zudem sagen lässt: Wir betreiben die gleiche Sportart. Ich denke auch, dass wir sehr viel von den Indern lernen können, um unseren Sport attraktiver und athletischer zu gestalten. Keine Frage, dass das deutsche Ringtennis nicht nur hinsichtlich möglicher internationaler Kontakte reformfähig sein muss, um in der Öffentlichkeit vielleicht besser bestehen zu können als bisher.
Weitere Informationen zum Thema gibt's immer wieder in der RI und natürlich bei Reinhard Plog und Willi.