Nachforschungen von Reinhard Plog, Stand Dezember 2003
Nach etwa einem dreiviertel Jahr mit Nachforschungen im Internet hat sich die bisherige Annahme, dass Deutschland und Südafrika die einzigen Nationen auf der Welt sind, die Ringtennis auf einem gehobenen Level wettkampfmäßig betreiben, verflüchtigt. Denn mit Indien findet sich eine dritte Nation, die Ringtennis organisiert, bis hin zur Ausrichtung nationaler Meisterschaften, betreibt.
Die Konstellationen, unter denen bekannt geworden ist, dass auf dem Subkontinent in Asien Ringtennis gespielt wird, sind schon abenteuerlich. Besonders zwei Umstände haben geholfen, auf das indische Tennikoit aufmerksam zu werden: Zum einen das Internet als neues Medium für die weltumfassende Suche und zum anderen die Amtsprache Englisch, die in dem Vielvölkerstaat Indien mit achtzehn verschiedenen Sprachen immer noch, auch nach Beendigung der Kolonialzeit, als erste Sprache Verwendung findet. Nur so war es möglich, Indien als ringtennisspielende Nation zu lokalisieren. Dabei hat die umgangssprachliche Verwendung des englischen Wortes Tenniquoits zum durchschlagenden Erfolg geführt, denn mit der Suche über dieses Wort, geschrieben wie man es spricht als "Tennikoit", fanden sich einige Seiten über Ringtennis, die allesamt indischer Herkunft waren.
Nach intensiver Nachforschung seit dem Sommer 2002 wurde schnell deutlich, dass in Indien dieser Sport besonders in den Schulen und Colleges mit englischer oder ehemals englischer Trägerschaft bekannt ist. In diesen Schulen wird Tennikoit im Sportunterricht auf den zumeist schuleigenen Plätzen betrieben. Anfängliche Bedenken, dass Tennikoit ein reiner Mädchensport in Indien ist, konnten widerlegt werden. Weitere Internetfunde bestätigten, dass Jungen diesen Sport ebenso betreiben.
Die absolute Verblüffung stellte sich aber dann ein, als ich Angaben zu einem nationalen Verband sichtete: Der "Tenni-Koit Federation of India". Von nunan war ich gewillt anzunehmen, dass Ringtennis in Indien wirklich wettkampfmäßig betrieben wird, und zwar auch außerhalb des Schulbereichs, wo ohnehin provinzweite und landesweite Meisterschaften in Form der "National School Games" zusammen mit anderen Sportarten ausgerichtet werden. Vor Kurzem aufgenommene Kontakte zu dem Verband der Provinz Tamil-Nadu mit Sitz in der Stadt Chennai (Madras) am Golf von Bengalen, bestätigen die Ausrichtung von nationalen Meisterschaften seit mehr als dreißig Jahren auch für Männer und Frauen. Die mir zugesandten Informationen geben Aufschluss über die Struktur des Spielwesens und der Spielweise der Inder. Bedenken, dass Ringtennis auch in Indien ein reiner Freizeitsport ist, der hier und da mit unverbindlichen Regeln betrieben wird, konnten beiseite geräumt werden.
Den "Game Rules" des indischen Verbandes lassen sich viele Details hierzu entnehmen. Ringtennis wird wie in Deutschland in den Disziplinen Einzel, Doppel und Mixed, sowie im Teamwettbewerb betrieben. Das Spielfeld entspricht in seiner Größe exakt dem deutschen Spielfeld. Allerdings wird in Indien im Einzel ebenfalls auf den gleichen Ausmaßen wie im Doppel gespielt. Ein wesentlicher Unterschied zu unserem Ringtennis liegt in der Höhe des Netzes, welches mit 1,80 m doch etwas höher als das deutsche (1,50 m) oder das südafrikanische (1,60 m) ist. Dieser Umstand führt auch dazu, dass das Spiel in Indien wesentlich ausgeklügelteren Regeln unterliegt. Z. B. ist der Service diagonal zu spielen. Es gibt im Doppel feste Abläufe, wer den Service auf welchen annehmenden Spieler zu leisten hat. Desweiteren setzt sich das indische Regelwerk mit ähnlichen Problemen wie das deutsche Regelwerk auseinander. Stepping, Jumping, Pushing und viele andere, den Bewegungsablauf oder die Art des Werfens betreffende Vokabeln, sind Inhalt einzelner Punkte dieses Werkes.
Die Inder spielen Tennikoit nach Sätzen. Wer dabei zwei von drei Sätzen gewinnt, hat das Match gewonnen. Jeder Satz geht bis 21 Punkte, wobei man mit zwei Punkten Unterschied gewinnen muss. Der einzelne Satz hat hierbei erst einmal ein Zeitlimit von 15 Minuten. Sollte der Satz nicht innerhalb dieses Zeitrahmens entschieden worden sein, so wird der Satz nicht beendet, sondern es wird folgendermaßen weitergespielt: Jeder weitere Ringabtausch darf nur noch 9 "Rallies" (Ringwechsel) andauern. Sollte bis dahin kein Punkt erfolgt sein, so bekommt derjenige den Punkt gutgeschrieben, der nicht den Service hatte. An manchen Stellen kann man dem Regelwerk ein Hang zur Detailverliebheit attestieren, so gibt es alleine drei Seiten in den "Game-Rules" zur Beschaffenheit des Netzes.
Sehr extensiv ist auch die Darstellung der Aufgaben des Schiedrichterstabes, der aus einem Team von bis zu 7 Personen bestehen kann. Sehr viel Wert wird immer wieder auf gebührliches Verhalten und "Fair-Play" der Spieler, der Manager und der Trainer gelegt. Drastische Maßnahmen werden mitunter durch gelbe und rote Karten angekündigt.
Die historische Entwicklung des indischen Tennikoits nimmt meines Wissens mit dem Jahr 1935 seine Lauf. Also ähnlich wie in Deutschland, wo es Ringtennis seit dem Ende der zwanziger Jahre gibt. Es hat also eine nahezu 70-jährige, getrennt verlaufende Entwicklung dieser Sportart gegeben, wobei keiner voneinander gewusst hat.
Ringtennis wird nach unseren bisherigen Kenntnissen vornehmlich in den Provinzen Tamilnadu, Kerala, Karnataka und Andhra Pradesh gespielt, die allesamt im Süden Indiens liegen. Folgende Spielorte sind mir bei meinen Streifzügen durch das Internet mehrfach aufgefallen: Hyderabad, Bangalore, Cuttack, Anantapur und Chennai. Im Rahmen der landesweiten Schulsportereignisse kann aber auch davon gelesen werden, dass Tennikoit in den nördlichen Regionen, ebenso wie in den Metropolen Bombay und Neu-Delhi gespielt wird. Weitere wichtige Erkenntnise werden sich hoffentlich aus den bestehenden Kontakten mit der "Tamilnadu Tennikoit Association" ergeben.
Inzwischen konnte von unserer Seite offizieller Kontakt mit Vertretern der Tennikoit-Federation of India aufgenommen werden. Unsere Idee, die Inder schon 2004 auf der Länderspielreise Deutschlands in Südafrika zu begrüßen, fiel bei den südafrikanischen Organisatoren um Jeanette De la Rey auf offenes Gehör. Das Südafrikanische Tenniqoit Board hat eine kleine, aus Spielern und Offiziellen bestehende indische Delegation für die Zeit des Tournaments und des ersten Länderspiels Südafrikas gegen Deutschland einladen. Im zuletzt geführten Schriftverkehr gab Mr. B.S. Nagaray, Secretary General des indischen Verbandes, uns gegenüber eine Zusage, dass Indien die Einladung nach Südafrika gerne wahrnehmen wird -- und am 1. September 2003 hat Jeanette de la Rey berichtet, dass Indien die Einladung angenommen hat! Ziele des Kontakts in Südafrika sind die gegenseitige Demonstration der jeweiligen Spielweisen und erste Gespräche zur Gründung eines internationalen Ringtennis-Verbandes.
Weitere Informationen zum Thema gibt's immer wieder in der RI und natürlich bei Reinhard Plog und Willi.